Herr Guttenberg II

Eigentlich war es nicht meine Absicht, mich ausgiebiger mit dem Fall Guttenberg zu befassen, doch Art und Umfang der aktuellen Diskussion seitens der Politik und vor allem seitens der Medien, lassen mir keine Wahl. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um Guttenberg sondern um den Zustand unserer Demokratie. Damit sind wir genau beim Herzstück dieser Website.

Im Folgenden sollen zwei Fragen vertieft werden:

  1. Wie schwerwiegend ist sein Vergehen überhaupt?
  2. Was macht den Fall Guttenberg so besonders?

Zu 1. Guttenberg sprach davon, ihm seien “Fehler unterlaufen” und von “Versehen”. Wer jemals eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben hat weiß natürlich was ein eigener Gedanke, eine eigene Überlegung, Schlussfolgerung usw. ist und was er bei einem anderen und an anderer Stelle gelesen hat. Stellen Sie sich einmal vor, sie lesen den Satz “Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.” Nehmen Sie weiter an Ihnen gefällt dieser Satz so, dass sie ihn selbst in einem Aufsatz verwenden möchten. Meinen Sie im Ernst, Sie wissen nicht mehr ob dies Ihr eigener Satz ist? Der obige Satz ist übrigens von Sir Winston Churchill. Doch selbst wenn Sie nicht mehr wissen, von wem der Satz stammt, dann kennzeichnet man den Satz und vermerkt, dass er von einem unbekannten Autor stammt. Dass man so verfährt, weiss jeder Student und erst recht jeder Doktorand. Und zu guter letzt versieht man eine wissenschaftliche Arbeit mit einer ehrenwörtlichen Erklärung und der Zusicherung, dass alle fremden Gedanken als Zitate gekennzeichnet sind. Doch selbst wenn dennoch einmal ein “Fehler” passiert ist dies sicher kein Beinbruch; aber nicht wenn dies 100 mal passiert und 75% der gesamten Dissertation ausmacht. Dies ist schlichtweg System, Vorsatz, Methode oder einfacher ausgedrückt, Betrug.

Nun könnte man argumentieren: na ja, es ist doch “nur eine Doktorarbeit”. Stellen Sie sich vor, Sie büffeln fürs Abitur und ein Mitschüler schreibt in drei von vier Fächern 75% der gesamte Klausurarbeiten ab; das finden Sie dann nicht mehr so witzig. Oder Sie wollen Handwerksmeister werden und während Sie eifrig an Ihrem Meisterstück arbeiten, lässt ein netter Kollege die wesentlichen Teile seines Meisterstückes von einer bekannten Fachwerkstatt fertigen; ist das auch ein “Kavaliersdelikt”? Oder stellen Sie sich vor der Motor Ihres Autos geht kaputt und die Werkstatt berechnet Ihnen für den Einbau eines neuen Motors € 8.000,-; Wochen später erfahren Sie von einem Mechaniker, dass in Ihrem Auto ein alter Motor vom Schrottplatz eingebaut wurde. Was entgegnen Sie dem Werkstattbesitzer, wenn er Ihnen sagt: “Oh, da ist mir ein Fehler unterlaufen, das war ein Versehen”?

zu 2: Nun gut, genug der Beispiele. Die noch wichtigere Frage lautet: Was macht den Fall Guttenberg so besonders?

Unsere gesellschaftliche und politische Wirklichkeit wird immer komplexer und für den Bürger immer weniger begreifbar. Gleichzeitig werden uns unsere Volksvertreter immer weniger sympathisch. Und dann taucht plötzlich einer auf, der geradezu aus einem Rosamunde Pilcher Film entsprungen sein könnte; jung, gutaussehend, gebildet, freundlich, nett, ehrlich, kommt er aus seinem Schloss herunter, begleitet von seiner netten, gutaussehenden Frau, um uns von unserem tristen politischen Alltag zu erlösen. Die (Klatsch-)Medien haben etwas zu berichten, bei der Bevölkerung kommt er gut an. Die Regierung und insbesondere die CSU haben einen Star, dem man nur nicht auf die Füsse treten darf und selbst die Opposition geht schonend mit ihm um; wer will schon Darlings (Bevölkerungs) Liebling kaputt machen. Nach politischen Inhalten wird dann nur noch am Rande gefragt.

Umso tiefer wird dann der Fall. An der Börse würde man wieder einmal von einer “Blase” sprechen; die Guttenberg-Blase. Ich empfinde es als beschämend, dass Guttenberg auch nach den Ereignissen höchste Beliebtheitswerte aufzeigt und CSU und der Grossteil der CDU Guttenberg zum Märtyrer hochstilisieren. Dieses Verhaltensmuster hat kaum noch etwas mit politischer Willensbildung und Anhängerschaft zu tun; hier mutiert Politik zu stumpfem “Fan-Verhalten” wie man es vom Fussballstadion und bei Filmstars beobachten kann. Hier haben wir es mit Blendwerk zu tun und mit allen Zutaten, die aus einem Politiker einen Verführer machen. Vor diesem Hintergrund sollten wir froh sein, dass wir Herrn Guttenberg los sind. Obwohl ich kein Unionswähler bin, glaube ich, dass wir mit Thomas de Maizière, der ja eher eine graue Maus ist, deutlich besser bedient sind und den besseren Verteidigungsminister haben.

Was bleibt, ist jedoch eine Fassungslosigkeit und eine grosse Sorge, wie lax Politiker mit Rechtsbrüchen umgehen.

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